Wir sind alle nicht ohne Fehler. Manchmal holen mich meine so ganz ohne Vorwarnung ein. Als Tierbestatterin hatte ich gestern z. B. ein Gespräch mit einer alleinstehenden Dame um die 50, die mir tieftraurig vom Versterben ihres geliebten Hundes erzählte.
Auf meine Frage, wie alt ihr Hund war, sagte sie: sechzehneinhalb. Sie erzählte mir, dass es ihrem Hund schon seit 2 Jahren nicht mehr gut ging und dass sie während dieser Zeit alles für ihn getan hat – in Liebe und ohne es als schwer zu empfinden. Schwupps, war mein schlechtes Gewissen da.
Meine beiden Riesenschnauzer sind auch verhältnismäßig alt geworden, zwölf und dreizehn. Sie sind als kleine Welpen zu mir gekommen, und ich habe sie ihr ganzes Leben lang bei mir gehabt. Natürlich habe ich sie über alles geliebt und war glücklich, dass ich sie hatte. Alle Lebensphasen waren schön, aber jede hatte ihre eigenen kleinen Schwierigkeiten mit sich gebracht. Die letzten zwei, drei Jahre waren von mehr Kümmern, mehr Pflege und mehr Rücksichtnahme meinerseits geprägt. Manchmal war mir das auch lästig, weil ich mein Leben darauf ausrichten musste. Außerdem war der Gedanke, dass sie irgendwann in absehbarer Zeit sterben würden, immer präsent. Es hat mir wehgetan, zu sehen, wie sie alt und gebrechlich wurden. Heute denke ich, dass mehr Dankbarkeit und Freude mein Herz bestimmt leichter gemacht hätten.
Manchmal werden wir ungeduldig und ungerecht, …
wenn die Dinge nicht mehr so gehen wie früher oder wir mehr Mühe haben. Vielleicht ergeht es Ihnen ja ähnlich. Man muss seinen Hund zum Gassigehen schon fast bitten, wo er früher mit der Leine im Maul bereit gestanden hat. Beim Spazierengehen wartet man, weil er natürlich nicht mehr so schnell laufen kann. Er fordert uns nicht mehr zum Spielen auf, sondern schläft fast den ganzen Tag lang. Dann will er das sonst so geliebte Futter nicht fressen, weil er jetzt andere Bedürfnisse hat. Da kann man schon mal ungeduldig werden.
Klar wollte ich für meine Hunde alles tun, was möglich ist! Aber manchmal war es echt aufwendig, die Hunde ins Auto zu heben, ständig beim Tierarzt zu sitzen, mehr Zeit für die Gassirunden einzukalkulieren. All die anderen Sachen waren ja auch noch zu erledigen! Und was immer ich für meine beiden Schätzchen getan habe, das Ende habe ich trotzdem nicht aufhalten können.
Seit einiger Zeit schon habe ich mir Gedanken darüber gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass gerade das Alter eines Hundes ganz viele Möglichkeiten für uns als Herrchen oder Frauchen bietet. Meinem jungen Hund Fusi habe ich deshalb versprochen, seinem Gott sei Dank noch fernen Alter viel bewusster zu begegnen.
Ich sehe es heute als Chance, …
… gemeinsam langsamer zu werden: Unsere Hunde zeigen uns, wie wir entschleunigen und sogar die Zeit kurz anhalten können!
Ein Hund, der altersbedingt langsamer läuft, Pausen braucht und mehr Zeit zum Essen haben möchte, wirkt in unserer schnellen Welt wie eine Bremse. Das „hält auf“. In Wirklichkeit ist aber gerade das gut für uns und natürlich für die Beziehung zueinander. Der langsamere Hund beansprucht mehr Zeit, und wir müssen einen Gang runterschalten.
Und ist das nicht richtig toll? Endlich können wir mal darüber nachdenken, ob uns das rasche Leben wirklich so gut tut. Außerdem müssen wir zwangsläufig unsere Prioritäten neu setzen und die Zeit, die wir noch zur Verfügung haben, neu nutzen – auf jeden Fall geben wir uns selbst und der Beziehung zu unserem Hund eine größere Priorität. Je langsamer wir werden, desto langsamer vergeht auch die Zeit. Und die können wir dann gemeinsam genießen.
… zusammen die Natur neu zu entdecken: Endlich können wir mal durchatmen!
Natürlich verändert sich die Art der Spaziergänge. Der Hund ist langsamer und braucht manchmal Pausen. Spielen und Toben werden seltener, auch andere Hunde sind nicht mehr so interessant. Bei mir hat das dazu geführt, dass ich meistens allein mit den Hunden unterwegs war, die anderen waren viel schneller als wir.
Aber anstatt deshalb ungeduldig zu werden, würde ich heute die guten Aspekte dabei sehen: Mach mal Pause, setz dich einen Moment auf die Bank unter der Eiche, schau dir ganz bewusst die Bäume und Blumen an, nimm diesen Herbstduft wahr. Beinahe ist es ein bisschen meditativ – da kommen mir so Sachen in den Sinn wie bewusst Atem schöpfen oder meine Füße achtsam setzen und auch Gemeinschaft spüren. Auf jeden Fall birgt das eine Menge Lebensqualität, oder?
… unsere Hunde noch besser kennenzulernen
Alte Hunde haben oft Arthrose, das geht meistens mit Schmerzen einher. Massagen oder intensive Streicheleinheiten können dem Hund helfen, sich zu entspannen. Sie wirken immer entkrampfend und schmerzlindernd.
Der Vorteil für uns Menschen ist es, dass wir uns mit unseren Fellnasen beschäftigen. Außerdem ist es auch ein Auseinandersetzen mit uns selbst. Vielleicht kann ich ja nicht so gut massieren, und der Hund ist ungeduldig und will nicht still liegen bleiben, wenn er an einem bestimmten Körperteil berührt wird. Möglicherweise braucht er dann einen Physiotherapeuten? Oder aber ich entdecke sogar ein paar neue Stellen, wo er gern intensiv gestreichelt werden will. Auf jeden Fall spüren wir dabei, was ihm gut tut und hilft. Dafür bekommen wir Dankbarkeit und Liebe geschenkt, ganz umsonst!
… für Gespräche mit unseren Hunden und zärtliche Streicheleinheiten
Warum sollen wir nicht abends anstatt das Abendprogramm im Fernsehen anzuschauen, mal den Hund auf den Schoß nehmen oder bei großen Hunden sich mit ins Hundebett setzen? Wir können ihn einfach mal fragen, wie es ihm geht. Ihm sagen, wie schön es ist, dass er bei uns ist, ihm von unserem eigenen Tag erzählen oder Erinnerungen auskramen.
Wenn wir dabei ganz authentisch sind, spürt unser Hund, dass wir ehrlich sind. Dabei das Fell streicheln, zärtlich sein und genießen, wenn unser Wuff seinen Kopf auf unserem Bein ablegt, die Hand leckt oder die Pfote auf unseren Arm legt. Das tut dann beiden gut und unseren Herzen. Und wenn man das Jetzt zusammen genießt, hat man später eine schöne Erinnerung mehr.
… Verantwortung zu übernehmen bis zum Schluss, in guten wie in schlechten Zeiten
Wenn ein Hund ins Haus kommt, wollen wir absolut alles für ihn tun: Für genug Bewegung sorgen, gesund füttern, freundlich und liebevoll sein. Dafür erwarten wir einen guten Freund, der immer für uns da ist. Das ist ja auch das Tolle, dass – wenn wir sie rufen – unsere Hunde direkt „Hier bin ich, ja super, du spielst mit mir!“ sagen und sofort startklar sind.
Im Laufe der gemeinsamen Jahre ergibt sich dann, dass einige Sachen bestens funktionieren, andere weniger. Aber wenn wir es so gut machen, wie wir können, dürfen wir auch mal sagen, dass es dem Hund mit uns gut geht, weil wir möglichst immer ein verlässlicher Partner sind, weil wir meinen, was wir sagen und weil sich unser Hund darauf verlassen kann.
Das schließt automatisch mit ein, dass wir auch den letzten Weg zusammen gehen, wenn es soweit ist. Dass wir unserem Hund beistehen, wenn er uns ganz besonders braucht. Denn wenn es soweit ist, wissen wir in unserer Trauer und dem schweren Verlust, dass wir alles für ihn getan haben, was uns möglich war. Was für ein gutes, tröstliches Gefühl!
Jedes Hundeleben hat 5 Phasen,
- die Kindheit
- die Jugend
- das Erwachsenwerden
- das Erwachsensein
- und das Alter
Jede Phase ist toll, ereignisreich, hat Höhen und Tiefen. Unsere Vierbeiner bringen uns an unsere Grenzen – und dann wachsen wir über uns hinaus. Dafür erfahren wir bedingungslose Zuneigung. Wenn wir wirklich jede Phase mit Liebe und in Verantwortung erleben, können wir uns mit dem Hund zusammen entwickeln. Wir sind jetzt bessere Menschen als in der Zeit, bevor unser Hund da war. Allein dafür verdient er Dankbarkeit, Zuneigung und Freude an seiner Gegenwart. Und wir können stolz darauf sein, ihm ein gutes Leben geschenkt zu haben.